

2020.
Corina Chatbot
Digitale Malerei, Stift-Display und Open Source Programm
Marburg, den 23. November 2022
Der Humor des Lebens
Ich befinde mich im März des Jahres 2020 und sitze in meinem Atelier am Schreibtisch. Ich stehe am Anfang meiner Berufung und stehe zugleich vor einem privaten und beruflichen Scherbenhaufen. Anstatt endlich öffentlich in Erscheinung zu treten, habe ich mich inzwischen zurückgezogen.
Ein nahendes großes Unwetter, das Coronavirus, verdunkelt den Himmel und liegt zusätzlich drückend auf meinem Gemüt. Ich fühle eine große Unsicherheit in Hinblick auf die Zukunft. Unsere Gesellschaft hat solch eine Pandemie noch nie erlebt. Die gerade in Kraft getretenen Regelungen zum Infektionsschutz hat es vorher noch nie gegeben und lösen einen kontroversen Diskurs aus. Es ist wohl ein schlechter Scherz des Lebens, dass ich aufgrund dessen nun in den eigenen vier Wänden eingesperrt bin. Ein ohnmächtiges Gefühl überkommt mich, wie lange wird die Krise andauern? Wie bedrohlich ist die Lage?
Ich finde bei meinen Recherchen im Internet einen Aufruf der Bundesregierung. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft werden kreative Lösungen gesucht, die in dieser Krise helfen sollen. Es ist ein bundesweiter Hackathon namens #WirvsVirus ausgerufen. Eine Euphorie überkommt mich, da ich darin eine Chance sehe und ich Teil von etwas sein kann. Trotz meiner inneren Stagnation und äußeren Umständen kann ich mich einbringen. Ich kann mir selbst etwas beweisen, aus dem scheinbaren Ohnmachtsgefühl ins Handeln zu kommen und mich mit meinen kreativen Talenten engagieren.
Die Zeit läuft
Es sind nur 48 Stunden bis der Wettbewerb endet. Die Zeit ist knapp. Viele Menschen finden sich in digitalen Räumen ein und präsentieren ihre Ideen oder ihr Können. Ich bin unentschlossen, wie ich mich letztlich einbringen soll. Die Zeit vergeht weiter. Viele sind bereits zusammengekommen, viele Gruppen sind schon aktiv mit der Umsetzung beschäftigt. Fast teilnahmslos und leicht resigniert sitze ich vor dem leuchtenden Bildschirm, während nur noch wenige Menschen in den Chaträumen schreiben. Plötzlich lese ich einen kurzen Satz, dass eine Gruppe noch jemanden braucht, die oder der eine Sympathiefigur eines Chatbots entwirft. Dies ist die Chance und zugleich das ersehnte Teilsein an diesem Hackathon. Schließlich antworte ich auf diese Nachricht und befinde mich alsbald im Sprachkanal einer bunt gemischten Gruppe vieler aktiver Talente wieder.
Teilsein
Der Chatbot beantwortet einfache Fragen zum Coronavirus und zur aktuellen Lage. Dafür ruft er Informationen von den Servern des Robert Koch Instituts (RKI) ab. Er soll die Institutionen und Anlaufstellen entlasten, die durch die vielen Fragen der Allgemeinheit überlaufen sind.
Die Koordinator:innen klären mich über das Projekt auf und äußern Wünsche, die sie für die Sympathiefigur haben. Ich entschließe mich mitzumachen und beginne mit der Konzipierung. Aufgrund der geringen Zeit zeichne ich die Skizze eines Androiden. Bei einer anderen Skizze orientiere ich mich an eine bereits von mir erschaffene Figur aus einem anderen Projekt. Nun treffen sich alle Projektteilnehmer:innen in einem Sprachkanal, um über meine Konzeption zu entscheiden. Ich bin aufgeregt. Die Gruppe ist mit meinem Vorhaben sehr zufrieden, entscheidet sich für eine der beiden Skizzen und gibt mir die Motivation, diese in der Kürze der Zeit zu finalisieren.
Am nächsten Tag erschaffe ich die Sympathiefigur »Corina Chatbot«, die großes Gefallen findet und kurzerhand in das Projekt integriert wird. Von nun an kann jede:r mit Corina auf einer Website und in verschiedenen Sozialen Netzwerken chatten. Unser Projekt »Corina Chatbot« schafft es in die erweiterte Auswahl aller #WirvsVirus-Projekte. Am Ende des Wettbewerbes gibt es eine offizielle Feier, zwar jede:r für sich in den eigenen vier Wänden, jedoch digital miteinander verbunden. Es ist ein tolles Projekt und ich bin zufrieden. Ich bin ein Teil von etwas Großartigem.
Rückblick
Mein Erleben ist Zeuge davon, was ein gesellschaftliches Miteinander mithilfe digitaler Möglichkeiten erreichen kann. Gleichzeitig hat die Initiierung durch die Bundesregierung mir gezeigt, dass es möglich ist, unabhängig von Parteiinteressen, die Bevölkerung in demokratische Prozesse mit einzubeziehen und gemeinsam etwas zu verwirklichen. Viele nette und kreative Talente haben sich frei und ohne finanzielle Erwartungen zusammengefunden und es in kürzester Zeit geschafft, diverse gesellschaftliche Projekte entstehen zu lassen. In diesem Kontext finde ich die Worte vom Schirmherr des Wettbewerbes und ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts Prof. Dr. Helge Braun auf den Punkt gebracht:
»Diese Teilnehmer haben in diesen Stunden das Internet wieder zu dem gemacht, was es einmal war: ein Begegnungsort der besten und offensten Art. Und es hat gezeigt: Wir können als Gemeinschaft viel bewegen.«¹
Der #WirvsVirus Hackathon hat mir selbst Mut gegeben mich zu zeigen und mich einzubringen, denn jede:r kann ein Teil unserer Gesellschaft sein und bei deren Gestaltung mitmachen. Dass es hier vielmehr um die gemeinsame Bewältigung von gesellschaftlichen Herausforderungen ging, losgelöst von Individualitäten, war für mich eine erleichternde und erfüllende Erfahrung. Ich wünsche mir von zukünftigen Bundesregierungen, dass sie genauso mutig sind und weiterhin solch einen Gemeinschaftsgeist wecken.
Quellen
¹Prof. Dr. Braun, Helge in Schirmherrschaft (Video): https://wirvsvirus.org/hackaton/, letzter Abruf am 19. Dezember 2022.